Die größte Belastung durch den Corona-Lockdown (was für ein Wort!) für die Menschen ist wohl, dass der Friseur "zu hat". Ich gestehe, auch ich sehe nicht mehr ganz so zivilisiert aus wie noch nach meinem letzten Friseurbesuch. Und manchmal stört die eine oder andere Strähne, die im Gesicht kitzelt, schon. Dummerweise habe ich den zu letzt geplanten Termin um eine Woche verschoben. Damit es mit dem Urlaub im Januar besser zusammenpasst. Blöd, dass zwei Tage vor meinem neuen Termin der Lockdown verhängt wurde. Und im Urlaub war ich dann auch nicht.
In meiner Jugend wäre ich ja ganz froh gewesen, hätte ich hin und wieder mal sagen können "Mein Friseur hat zu!" Es hätte mir die eine oder andere Diskussion mit meinem Vater wegen meines Haarschnitts erspart. Nicht dass ich herumgelaufen wäre wie ein Hippie oder wie ein Affe. Nein, für meine Frisur hätte sich so mancher Affe sicher geschämt. Aber etwas länger als Bürste waren meine Zotteln schon. Das ganze Bohei um Haarlängen war zu dieser Zeit immer auch ein Ausdruck von Generationenkonflikt. Diese Zeiten sind ja wohl zum Glück überwunden. Doch wie manche junge Leute heutzutage herum laufen ist einfach unsäglich. Wahrscheinlich hat sich deren Friseur den Arm gebrochen als er gerade beim Schneiden war und ist darum nicht fertig geworden. So sind die Haare eben nur unten rum geschnitten. Ich habe vollstes Verständnis, dass die armen jungen Leute jetzt die Haare nach oben geelen müssen. Die Bedauernswerten sehen darum aus wie ein Hähnchen - wer will schon so aussehen?
Ein anderes ewiges Thema zwischen den Generationen ist die Musik. Was da manche anhören ist an Stumpfsinn und Dummheit kaum noch zu überbieten. Und diese Lautstärke! Ich muss jedesmal erst den Lautstärkeregler am Radio herunterdrehen wenn ich zu meiner Mutter ins Haus komme. Wie schrieb schon Wilhelm Busch "Musik wird als störend oft empfunden, weil stets mit Geräusch verbunden".
Leider kann ich in einer anderen Situation den Lautstärkeregler nicht herunterdrehen - eigentlich würde ich sowieso lieber den Ausschaltknopf betätigen: im Supermarkt. Was dem wenig geneigten, aber leidenden, Zuhörer aufgezwungen wird spottet jeder Beschreibung. Ich habe schon einmal versucht herauszufinden, ob es sich bei dem Geräusch um eine Endlosschleife handelt. Die Vermutung liegt jedenfalls nahe, denn einen Unterschied in dieser Melange von Tönen zwischen meinem Eintritt in die Verkaufsräume und meinem eiligen Verlassen konnte ich kaum feststellen. Jedenfalls klingt das ganze bestenfalls so, als würden einzelne oder Gruppen untalentierter Pinguine versuchen Koloraturen zu üben. Ich bin jedesmal froh, wenn ich diesen Ort hoher Gesangeskunst wieder verlassen darf. Leid tun mir allerdings die Mitarbeiter, die dieses tagtäglich über mehrere Stunden genießen dürfen.
Ein gewisses Unverständnis habe ich für die Supermarktbetreiber. Riskieren sie doch, dass sie in den nächsten Jahren überflutet werden von Klagen, weil ihre Mitarbeiter reihenweise an Ohrenkrebs erkranken.
Mein Friseur hat zu!
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- Geschrieben von: Axl